Der gehetzte Mensch, der von Neuerung zu Neuerung strebt, immer im Gefühl etwas zu verpassen beim Versuch der Selbstoptimierung. Klimakrise, Kriege, Fluchtbewegungen als gesellschaftliche Konflikte, die sich scheinbar unaufhaltsam verselbstständigen. Eine verunsicherte Menschheit driftet immer weiter auseinander in eine Schere zwischen Beschleunigung und Innovation auf der einen und existenziellen Krisen auf der anderen Seite. Offensichtlich wird nun, dass wir uns selbst trotz allem Fortschritts vielfach abhanden gekommen sind und auf die drängenden Fragen und Konflikte unserer Zeit kaum Antworten haben. Hat die Technisierung unserer Umwelt wirklich dazu geführt, dass wir mehr Zeit und Freiheiten zur Verfügung haben? Mehr geniessen und ein entspannteres Leben führen? Gelassen dem Alter und dem Tod entgegensehen? Oder ist es nicht vielmehr so, dass wir längst in der Spirale von Beschleunigungskultur und Intensität gefangen sind und den Ausstieg scheuen in Unkenntnis dessen, was uns und die Welt im Inneren zusammenhalten und tragen könnte?
Können Entschleunigung, die Rückkehr zu scheinbar sinnlosem Tun oder die spielerischen Qualitäten in uns, ein Schlüssel zum Ausstieg aus dem Hamsterrad sein? Könnten Menschlichkeit und Begegnung ein Gegengewicht zu Verunsicherung und Haltlosigkeit darstellen? Können wir die Grenze von Beschleunigung, an die wir hier stossen, auch wieder verlassen ohne eine existenzielle Verlusterfahrung machen zu müssen? Ist es möglich, in diesem Kontext Digitalisierung und Technisierung wieder als unterstützend zu erfahren? Liessen sich vielleicht dann auch Antworten auf die Krisen unserer Zeit entwickeln?
Die Einfachheit des Tuns, der Bewegung, die Stille, die Ruhe im fortwährenden Vor und Zurück. Die Gedanken, die umherschweifen und zu sich kommen können.
Zur Einführung in die Ausstellung wird Wilhelm Schmid (Philosoph, Berlin) aus seinem gerade erschienenen Buch: „Schaukeln, die kleine Kunst der Lebensfreude“ lesen.
Gemeinsam mit der Performancekünstlerin Nezaket Ekici (Berlin und Stuttgart) sind die Ausstellungsbesucher zur Eröffnung eingeladen, sich schaukelnd in einen poetischen Raum zu begeben und die Künstlerin audiovisuell auf ihrer Gipfelbesteigung entlang des Damülser Schaukelwanderwegs zu begleiten. Frau Ekici wird zur Eröffnung aus ihrem Gipfeltagebuch lesen, welches auf dem Damülser Schaukelwanderweg entstehen wird, in das sie ihre Gedanken, Eindrücke, Gefühle entlang der Wanderung festhalten wird und diese aus Künstlerinnen-spezifischer Sicht präsentieren wird. Angedacht ist, sich mit dieser Präsentation auch aus dem Ausstellungsraum heraus in die Damülser Gaststätten zu begeben und die alte Tradition, in der Erfahrungen mündlich weitergegeben werden, wieder aufleben zu lassen. Filmerisch wird Frau Ekici auf der Wanderung begleitet, so dass eine dauerhafte Projektion im Ausstellungsraum dem Besucher für die Dauer der Ausstellung zugänglich bleiben wird.
Diese Spurensuche wird erweitert durch einen Blick in unsere digitale Zukunft im Obergeschoss der Ausstellung. Bei all den Chancen, aber auch Gefahren unserer heutigen und zukünftigen Möglichkeiten, dürfte es zunehmend wichtiger werden, den Menschen als den Menschen selbst nicht aus den Augen zu verlieren. Hier darf in diesem Sinne „mit der Zukunft“ experimentiert werden!
In einem zweiten Raum sind die Betrachter dazu eingeladen, sich vertrauensvoll in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft bildlich durch die Reise des Lebens zu begeben und dabei sowohl die Spur der Kindheit nicht zu verlieren als auch der Begegnung mit dem Alter nicht zu scheuen. Diese Arbeit wäre in der Umsetzung ohne unsere technischen Möglichkeiten nicht realisierbar gewesen und spricht doch gleichzeitig eine menschliche und „entschleunigte“ Sprache.
Den Rahmen für die angerissenen Themen bilden Bild- Text- und Filmmaterial, welches sich mit der Historie des Schaukelns auseinandersetzt. Es ist uns gelungen, die Originalfotografien aus dem Buch „Frauen, die schaukeln“ (Claudia Grabowski, Bremen) für die Ausstellung auszuleihen, die einen historischen Einblick in die Bilder schaukelnder Frauen vom Jahr 1880 bis in die 1960er Jahre geben. Auch kunstgeschichtlich wird es eine kleine Exkursion in die Malerei des Schaukelmotives geben.
Zeitgenössische fotografische Arbeiten wiederum wird Sarah Solderer (Südtirol) präsentieren, die zwei ihrer Projekte aus dem Jahre 2017 in Form von Fotografien und einem Film zur Verfügung stellt: Schaukeln installiert an verschiedenen Bushaltestellen in Athen und Cuba. Die Schaukel, die vor und zurück schwingt, ist eine Metapher für den Rythmus der gehenden und kommenden Pendler, in ihren täglichen Routinen: Manchmal schneller, manchmal langsamer – in verkleinertem Massstab. Wir werden für Damüls diese Interventionen in den urbanen Raum in einem eigenen Projekt aufgreifen und erweitern.
Für alle Junggebliebenen wird es eine Lesung aus dem wunderschönen Buch „Die Schaukel“, von Britta Teckentrup geben, das eine philosophische Reise für Kinder und Erwachsene mit dem Schaukelbild vereint.